Geistiges Eigentum ist kein Eigentum

Hartwig Thomas, 27.11.2017


Geistiges Eigentum ist kein Eigentum

Von Urheberrechts-Betonköpfen wird häufig das Argument vorgebracht, ein Haus könne man ja, im Gegensatz zu geistigen Werken, einzäunen und der Besitztitel verfalle nie. Aber geistiges Eigentum ist eben kein Eigentum sondern ein agitatorischer Kampfbegriff der oft gerade von denen verwendet wird, die sonst behaupten, alles Eigentum sei Diebstahl. Seine Verwendung soll helfen, den in der Verfassung festgeschriebenen Schutz des Privateigentums auf das Urheberrecht auszudehnen. Leider hat diese Verwendung die Köpfe mancher liberaler Befürworter des Privateigentums vernebelt, die sich mit seiner Hilfe dazu verführen lassen, jede massive Ausdehnung des Urheberrechts zu unterstützen.

Zu Eigentum gehören neben Rechten auch Pflichten

Geistiges Eigentum im Urheberrecht ist kein Eigentum, denn zu Eigentum gehören auch Pflichten. Und der Wert von Eigentum verfällt kontinuierlich, wenn man es nicht bewirtschaftet.

Eigentum muss immer vom Respekt vor der Allgemeinheit begleitet sein

Beim immer wieder angeführten Hausbesitz muss man schon vor dem Bau von der Allgemeinheit eine Genehmigung einholen, da jeder Bau Gemeingut (Ortsbild, Schattenwurf, Seeblick) einschränken kann. Sodann ist jede Immobilie zusammen mit allen möglichen Servituten (Wegrecht, Vorkaufsrecht, …) in einem Grundbuch einzutragen.

Jedes Jahr muss ein Hausbesitzer Steuern auf dem Vermögenswert seiner Immobilien bezahlen. In der Schweiz oft auch noch auf dem Eigenmietwert. Wer ein Haus im Ausland baut und es nicht in der Steuererklärung aufführt, wird wegen Steuerhinterziehung bestraft. Wer es in Steueroasen plaziert, wird wegen Steueroptimierung wenigstens moralisch verurteilt.

Der Hauseigentümerverband ist eine private Organisation, welche die Interessen ihrer Mitglieder vertritt. Niemand käme aber auf die widersinnige Idee, dieser Organisation das Monopol zum Einziehen von Zwangsabgaben von sämtlichen Arbeitnehmern der Schweiz einzuräumen.

Wird ein Haus nach dem Tod des Eigentümers vererbt, müssen die Erben zuerst einmal eine saftige Grundstücksgewinnsteuer bezahlen. Wenn sie das Erbe deswegen ausschlagen, fällt die Immobilie an die Allgemeinheit.

Verwaiste Häuser gibt es nicht

Verwaiste Häuser gibt es nicht, denn im Grundbuch ist zu jeder Zeit nachvollziehbar, wem ein Haus gehört. Was nicht im Grundbuch aufgeführt ist, gehört der Allgemeinheit. Lassen die Eigentümer ihre Immobilie über Jahrzehnte verlottern, werden sie ultimativ dazu aufgefordert, schon aus Sicherheitsgründen den Schandfleck zu beseitigen. Wird die Immobilie dann von Hausbesetzern genutzt, werden diese oft sogar von der Politik gestützt, solange die Eigentümer sie nicht bewirtschaften. Wachsen die Bäume im unbewirtschafteten Garten zu hoch, werden sie eines Tags vom Forstamt zu Waldbäumen erklärt und der Garten wird zum Wald, welcher der Allgemeinheit gehört.

Von 100 auf 0 in einer Sekunde

Einer der Gründe des Unverständnisses von Urhebern und Rechteinhabern, dass der urheberrechtliche Schutz nach Ablauf der Schutzfrist aufhört und das Werk an die Allgemeinheit fällt, ist die Totalität des Schutzes bis zu diesem Moment der Gemeinfreiheit. Wenn geistiges Eigentum wie alles andere Eigentum kontinuierlich an Wert verlöre, wenn man es nicht laufend mit neuen Investitionen in Schuss hält, wäre wohl kaum jemand daran interessiert, den urheberrechtlichen Schutz auch nur 5 Jahre nach dem Tod der Urheber aufrechtzuerhalten.

Wenn geistiges Eigentum wirklich Eigentum wäre

Wir könnten natürlich das geistige Eigentum im Urheberrecht wirklich als Eigentum ausgestalten. Das würde dann damit anfangen, dass eine Registrierpflicht für geschützte Werke in einer Art Grundbuch für Urheberrecht einzuführen wäre. Dank den heutigen Möglichkeiten des Internet könnte eine solche Registrierung mit relativ wenig Aufwand vollzogen werden. Eine kleine Gebühr, welche den Aufwand des Instituts für Geistiges Eigentum für das Betreiben der Plattform deckt, würde davor schützen, dass unsinnige automatische Massenregistrierungen vorgenommen würden.

Ein Fotografin, die in zwei Wochen 5000 Fotos geschossen hat, würde wohl kaum den Aufwand auf sich nehmen, alle 5000 zu registrieren. Eine Zeitung, der sie das Recht der Publikation eines sensationellen Schnappschusses verkauft hat, würde das schon für sie übernehmen, um Konkurrenten von der Gratispublikation einer Fotografie abzuhalten, für die sie der Urheberin teures Geld bezahlt hat.

Zusammen mit dem Eintrag ins Grundbuch müssten “Wegrechte” und “Servitute” eingetragen werden. So müsste beispielsweise bei der Registrierung von “Silberfäden” durch Vico Torriani auf das bei der Allgemeinheit liegende Recht an der Komposition von Hart Pease Danks verwiesen werden. Auch Daniel Schmid hätte bei der Registrierung seines Films “La Paloma” auf die Erzählung von Hanns Heinz Ewers verweisen müssen, die er ohne Quellenangabe verfilmte.

Jede Änderung an der Zusammensetzung der Rechteinhaber (z.B. neue Verlagsrechte, neue Übersetzungsrechte, …) wären im Register festzuhalten. Dabei wäre eine Handänderungsgebühr zu entrichten.

Eine aus der ursprünglichen Investition und dem Ertragswert zusammengesetzte Vermögenssteuer wäre von allen registrierten Rechteinhabern jährlich zu entrichten. Auch dies würde den überflüssigen Schutz von Werken mit mangelnder Schöpfungshöhe eindämmen. Alle Rechteinhaber wären plötzlich daran interessiert, den Wert der Werke kleinzureden, den sie heute in Abmahnungsbegründungen ins Unendliche steigern.

Private Verwertungsgesellschaften könnten die Rechte der Werkeigentümer vertreten, hätten aber kein im Gesetz verankertes Monopol, das sie zum Einzug von Zwangsabgaben bei allen Arbeitnehmern berechtigt, auch wenn kein Bezug zu einem genutzten Werk vorliegt.

Geistiges Eigentum wäre im Inventar einer Erbschaft aufzuführen. Die Erben hätten als Erstes eine Urheberrechtsgewinnsteuer zu bezahlen, bevor sie das Erbe antreten können. Sie können das Erbe natürlich auch ausschlagen. Dann fällt das geistige Eigentum an die Allgemeinheit und die Werke werden aus dem Register gelöscht.

Dank Register keine verwaisten Werke

Verwaiste Werke gäbe es keine. Würde ein Werk, das von seinen Eigentümern nicht bewirtschaftet wird, unrechtmässig von Werksquattern genutzt, müsste sich deren Bestrafung nach dem Betrag der Einnahmen aus dem Werk während der letzten Jahre richten.

Werden die jährlichen Steuern auf einem registrierten Werk nicht bezahlt, fällt dieses an die Allgemeinheit und wird aus dem zentralen Register gelöscht.

Für eine unbeschränkte Dauer des urheberrechtlichen Schutzes

In einem so als wirkliches Eigentum ausgestalteten Urheberrecht könnte man auch die Dauer des urheberrechtlichen Schutzes problemlos auf unbeschränkte Dauer ausdehnen, denn eine angemessene Balance zwischen den Interessen der Eigentümer und denen der Allgemeinheit wäre hergestellt.

Ceterum Censeo

In jedem Fall ist aber das Monopolrecht der Verwertungsgesellschaften abzuschaffen, Zwangsabgaben bei allen Arbeitnehmern unabhängig von der Herstellung, Nutzung oder dem Konsum von konkreten Werken einzukassieren.